Tagebaufenster und Rostiger Nagel: Mit dem Rad durchs Lausitzer Seenland

Mit elf Seerundwegen, sieben Fernradwegen und 19 Thementouren ist das Lausitzer Seenland ein Eldorado für Radfahrer. Der Herbst ist die schönste Jahreszeit, um die Region auf dem Drahtesel zu erkunden: Was vor 50 Jahren ein ferner Traum war, ist heute Wirklichkeit geworden.

Aus den grauen Gruben des Braunkohlebergbaus in der Lausitz sind mehr als ein Dutzend neue Seen entstanden, weitere sollen folgen. Um ihre Ufer und durch die rekultivierte Landschaft zwischen Berlin und Dresden führen flache, asphaltierte Fahrradwege. Unterwegs bieten markante Aussichtstürme einen weiten Blick auf die beeindruckende Kulisse. Das sind die vier aussichtsreichsten Routen im Herbst.

Vom Bergmann zum Seemann (49 Kilometer)

In einigen Jahren soll im Lausitzer Seenland Europas größte künstliche Wasserlandschaft mit mehr als zwei Dutzend Seen und schiffbaren Kanälen vollendet sein. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Auf der 49 Kilometer langen Tagestour „Vom Bergmann zum Seemann“ lässt sich der spektakuläre Landschaftswandel vom Bergbaurevier zum Wasserparadies eindrücklich nachverfolgen.

Startpunkt ist der Großräschener See. Vom Aussichtspunkt Victoriahöhe, einer aufgeschütteten Halde des ehemaligen Tagebaus Meuro, bietet sich ein Blick über den noch jungen See, die moderne Seebrücke, die aus einem Tagebaugroßgerät entstand und den Weinberg, an dem Winzerfamilie Wobar im Herbst Solaris, Johanniter, Cabernet blanc und Pinotin erntet. Informationstafeln an der stählernen Aussichtsplattform erklären nicht nur, was in der Ferne zu sehen ist, sondern erzählen auch die Geschichte der verschwundenen Orte, die dem Tagebau weichen mussten.

Die ersten 15 Kilometer führen zum aktiven Tagebau Welzow Süd. Rund 20 Millionen Tonnen Braunkohle werden hier in 60 bis 120 Metern Tiefe jährlich abgebaut. Riesige Eimerketten- und Schaufelradbagger sowie eine Abraumförderbrücke sind im Einsatz. Am Aussichtspunkt Welzower Fenster kann man sich einen Eindruck von der Dimension dieses Tagebaus machen.

Radfahrer am Aussichtspunkt „Rostiger Nagel“. Foto: Tourismusverband Lausitzer Seenland Nada Quenzel
Radfahrer am Aussichtspunkt „Rostiger Nagel“. Foto: Tourismusverband Lausitzer Seenland Nada Quenzel

Nach weiteren elf Kilometern erreicht man am noch nicht fertig gefluteten Sedlitzer See den Rostigen Nagel, einen 30 Meter hohen Aussichtsturm aus rostrotem Corten-Stahl. Die Farbe erinnert an die industrielle Vergangenheit der Region. Wer die 163 Stufen erklimmt, wird mit einem Panorama aus Sedlitzer, Geierswalder und Partwitzer See sowie ausgedehnten Kiefernwäldern belohnt.

Bevor es zurück zum Ausgangspunkt am Großräschener See geht, gelangen Radfahrer an den Senftenberger See, an dem das Lausitzer Seenland seinen Anfang nahm. Bereits im Jahr 1973, nach Flutung des Tagebaus Niemtsch, konnten erste Gäste hier baden. Seitdem ist der See ein beliebtes Urlaubsziel für Familien, Wassersportler und Camper. Ein lohnender Zwischenstopp ist der moderne Stadthafen mit seiner futuristischen Seebrücke, die weit über das Wasser hinausragt.

Durch Krabats sorbische Heimat (59 Kilometer)

Wie die abgebaute Kohle weiterverarbeitet wurde, erfahren Radfahrer auf der 59 Kilometer langen Tagestour „Durch Krabats sorbische Heimat“. Darüber hinaus ist die Tour eine Entdeckungsreise in die Kultur der Sorben, einer slawischen Ethnie, die seit dem sechsten Jahrhundert in der Lausitz lebt und bis heute Sprache und Traditionen lebendig hält.

Der größtenteils ebene Rundweg auf asphaltierten Fahrradwegen und wenig befahrenen Nebenstraßen startet in Hoyerswerda. Nach sieben Kilometern erreichen Radler die Schrotholzscheune Pattoka in Bergen, die eine Ausstellung zu sorbischem Brauchtum beherbergt. Entstanden ist das Gebäude 1768 in lausitztypischer Blockbauweise. Zehn Kilometer weiter, im Erlebnishof Krabat-Mühle begegnet man der wohl bekanntesten sorbischen Sagengestalt, dem gutmütigen Zauberer Krabat. Auf dem Gelände der Mühle befindet sich eine Schauwerkstatt, eine Wanderherberge und eine Gastwirtschaft.

Höhepunkt der Tour, nach Kilometer 38, ist die Energiefabrik Knappenrode, die nach umfangreichen Baumaßnahmen am 16. Oktober 2020 wiedereröffnet wird. Bis 1993 wurden in dem imposanten Backsteinbau aus Braunkohle Briketts gepresst. Neben der neuen Dauerausstellung sowie dem multimedialen Besucherzentrum sollten Gäste den „Lausitz-Blick“ nicht verpassen. Dieser 37 Meter hohe über einen Aufzug barrierefrei zugängliche Aussichtspunkt ermöglicht einen fantastischen Rundumblick auf das alte Revier und das neue Seenland.

Mühlenrundtour (50 Kilometer)

Bevor die Braunkohle das Leben in der Lausitz bestimmte, wurde das Handwerk der Müller hochgeschätzt. In der Gegend zwischen Großräschen und Calau standen einst zahlreiche Mühlen, die heute zum Teil noch erhalten sind. Einige aber mussten dem Tagebauch Platz machen. Die 50 Kilometer lange „Mühlenrundtour“ ab Dörrwalde führt an zehn dieser historischen Gebäude vorbei. Sehenswert ist am Startpunkt der Radstrecke die Dörrwalder Mühle, eine Holländerwindmühle, die 1609 erstmals erwähnt und nach einem Brand 1845 wiederaufgebaut wurde. Heute befindet sich im Inneren eine Erlebnisgastronomie.

Einen Rundumblick auf die Region bietet der neue 43 Meter hohe Aussichtsturm Calauer Schweiz, den man über einen kurzen Abstecher zu Fuß auf der Tour zwischen Buchwäldchen und Weißag erreicht. Er steht am höchsten Punkt des gleichnamigen Naturschutzgebietes mit Kiefernwäldern, kleinen Mooren und Teichen. 216 Stufen führen den Klinkerbau hinauf auf eine Plattform. Bei guten Sichtverhältnissen sind in der Ferne das Besucherbergwerk F60, eine imposante Abraumförderbrücke, und das Kraftwerk Jänschwalde zu sehen.

Zu den Felsen aus Glas in die Bucksche Schweiz (22 Kilometer)

Wer nicht so weit radeln möchte, sollte die 22 Kilometer lange Tour „Zu den Felsen aus Glas in die Bucksche Schweiz“ wählen. Sie führt Radfahrer ab Hosena auf ebenen, überwiegend asphaltierten Wegen durch ein drei Hektar großes Flächennaturdenkmal südlich des Senftenberger Sees. Einen idealen Picknickplatz bieten die bizarren zwei bis drei Meter hohen Sandsteinfelsen aus erhärtetem Glassand, die am Fuß eines in Renovierung befindlichen Aussichtsturms stehen.

Sie erinnern an die Felsformationen in der Sächsischen Schweiz. Der feine Quarzsand wird seit dem 19. Jahrhundert in der Gegend abgebaut und zur Herstellung von farblosem Glas verwendet. Anschließend führt die Tour weiter zum Senftenberger See. Hier garantiert der 31 Meter hohe Schiefe Turm beste Aussichten auf das glasklare Wasser, die Naturschutzinsel im See und die dichten Kiefernwälder. Mit 10 Grad Neigungswinkel ist der Turm schiefer als sein Pendant in Pisa.

Übernachten in luftiger Höhe

Nicht weit vom Schiefen Turm am Senftenberger See finden Radfahrer die passende Übernachtungsmöglichkeit in luftiger Höhe. Im Hafencamp stehen auf drei bis fünf Meter hohen Stelzen vier Baumhäuser inmitten von Kiefern. Es sind gemütliche Ferienwohnungen für zwei Personen mit Balkon und Blick auf den See. Vom 20. September bis 31. Oktober kann die Aktion „Baumhauszeit“ inklusive Frühstück, Motorbootfahrt und Miete von Tretrollern gebucht werden.

Weit oben kann man auch im Leuchtturm-Hotel am Geierswalder See schlafen. Eine Wendeltreppe führt in das 22 Meter hoch gelegene Turmzimmer, das sich über drei Etagen erstreckt. In der obersten Etage befindet sich ein Doppelbett mit Rundumblick auf den See. Darüber hinaus bietet das Hotel Ferienhäuser, Doppelzimmer und Ferienwohnungen sowie eine Bikinibar und eine Sauna.

Info- und Buchungsportal zum Lausitzer Seenland

Auf dem Portal des Tourismusverbandes www.lausitzerseenland.de können diese und weitere Übernachtungsmöglichkeiten gebucht werden. Außerdem finden sich hier die GPS-Tracks sowie die detaillierten Beschreibungen zu den vorgestellten Radtouren.

Foto / Quelle: Tourismusverband Lausitzer Seenland e.V., www.lausitzerseenland.de

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