Reif für die Tonne: Elektronische Gesundheitskarte erstickt in Problemen

Und täglich grüßt das Murmeltier: Wieder einmal werden die Tests für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) verschoben. Hieß es einst, im Oktober 2014 gehe es los, folgte alsbald der neue Starttermin April 2015, dann November 2015 und nun 1. Quartal 2016.

„Es ist unverantwortlich und nahezu lächerlich, dass Politik und Krankenkassen weiter einer Illusion hinterherjagen und trotz aller Pannen, in den Sand gesetzter Millarden und gegen jede Vernunft an diesem Projekt festhalten“, sagte Dr. Silke Lüder, Sprecherin der Aktion „Stoppt die e-card“, heute in Hamburg.

„Wir fordern einen Stopp des Projekts.“ Dr. Manfred Lotze, Vertreter der Organisation IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) in dem Bündnis, betonte: „Mit der eGK werden allein die Interessen von Kassen, Gesundheitswirtschaft und IT-Industrie bedient.“

Ihr ist das Lachen noch nicht vergangen - das kann sich aber bald ändern: Das Gesundheitswesen erstickt in Bürokratie und Datenmassen
Ihr ist das Lachen noch nicht vergangen – das kann sich aber bald ändern: Das Gesundheitswesen erstickt in Bürokratie und Datenmassen

Erneut würde viel Geld verschwendet und der Datenschutz stehe einmal mehr in Frage, kritisierte Lüder. Denn offenbar beißt sich die Industrie an den Sicherheitsanforderungen die Zähne aus und kann daher bislang die sogenannten Konnektoren nicht liefern. Als eine Art Router sollen sie die Arztpraxen mit der Datenautobahn der Gematik verbinden, der Betreiberorganisation der eGK. Aufgebaut hat diese Datenautobahn die Arvato AG, eine Tochter des Bertelsmannkonzerns.

Und noch etwas könnte zum Problem werden: Entgegen allen früheren Versprechen muss wohl ein Großteil der heutigen Kartenlesegeräte in den Arztpraxen erneut für mehrere 100 Millionen Euro ausgetauscht werden. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik soll diese Kartenlesegeräte nur bis Ende 2017 genehmigt haben. Auch die teuren elektronischen Gesundheitskarten selbst müssen bis 2017 ausgetauscht werden.

„Zentral gespeicherte Daten wie beim eGK-System sind nicht sicher und werden es nie sein“, sagte Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. „Das System der eGK“, erläuterte der Informatiker, „birgt große Risiken für die Vertraulichkeit persönlichster Informationen. Schon der Abgleich der sogenannten Versichertenstammdaten würde eine enorme Datenmenge anhäufen.

Daraus ließen sich Aussagen über die Krankengeschichte von Patienten ableiten. Denn beim Online-Prüfabgleich der Daten auf der Karte mit denen der Krankenkasse fallen an den Verbindungs- und Sammelstellen Informationen über Ort und Zeit der Arztbesuche an. Diese Stellen werden damit zu einem lohnenden Ziel für Hacker.“

Die Patientenvertreterin der Aktion „Stoppt die e-Card“, Gabi Thiess, betonte zudem: „Jeder Bürger hat das Recht, selbst über den Verbleib und die Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Mit der eGK hebelt die Politik dieses Grundrecht aus.“ Die Bürger wollten keine Dauerüberwachung, sondern brauchten eine gute Medizin mit Ärzten vor Ort, mehr Zeit und Zuwendung sowie einem dauerhaften Schutz ihrer Daten. Dazu seien Investitionen in datensparsame und dezentrale Datenhaltung und Kommunikation notwendig.

Über die Aktion „Stoppt die e-Card“
„Stoppt die e-Card“ ist ein breites Bündnis von 54 Bürgerrechtsorganisationen, Datenschützern, Patienten- und Ärzteverbänden. Unter anderem gehören dazu: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Digitalcourage, Chaos Computer Club, IPPNW, Freie Ärzteschaft e. V., NAV-Virchowbund, Deutsche AIDS-Hilfe. Das Bündnis lehnt die eGK ab und fordert, das milliardenschwere Projekt einzustampfen. Sprecher der Aktion „Stoppt die e-Card“ sind Dr. Silke Lüder, Gabi Thiess, Dr. Manfred Lotze und Kai-Uwe Steffens.

Foto / Quelle: Image courtesy of stockimages at FreeDigitalPhotos.net, Dr. Silke Lüder, Gabi Thiess

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