Zehn Jahre lang suchte Rüdiger Beckmann in seinen Porträts nach einer Schönheit jenseits von Eitelkeit. Dabei hat er sich beinahe selbst verloren.
Rüdiger Beckmanns Laufbahn als Fotograf begann in seinem Studium der Illustration an der Hamburger Fachhochschule. In einigen Kursen sollten sich Kommilitonen gegenseitig fotografieren: „Da bin ich auf den Geschmack gekommen.“
Er begann, immer mehr Menschen zu sich einzuladen und sie zu porträtieren. Die Suche nach den Schichten der Persönlichkeit hinter der Schönheit wurden für ihn lebensbestimmend: „Ich habe die Fotografie über zehn Jahre manisch betrieben und mich darüber hoch verschuldet.“ 2010 zog er die Notbremse, hörte praktisch auf zu fotografieren und begann, seine finanzielle Situation wieder ins Lot zu bringen: „Jetzt kann ich das Ganze etwas ruhiger angehen.“
Beckmanns Rettungsanker war sein Buch „Beyond Vanity – Jenseits von Eitelkeit“, das er mit Hilfe von Freunden im selben Jahr herausbrachte. „Seitdem gibt es viel motivierendes Feedback für diesen Ansatz. Die Menschen verstehen zunehmend, dass diese freien Bilder mehr Unterstützung brauchen als zum Beispiel Magazinstrecken oder konsumierbare Erotik.“
Dabei sind Beckmanns Bilder durchaus erotisch, denn sein Motto „Jenseits von Eitelkeit“ heißt für Beckmann mitnichten ohne Eitelkeit: „Ich möchte in Energien schwelgen und die Schönheit menschlichen Empfindens feiern und Sinnlichkeit auf keinen Fall unterdrücken.“
Seine Bilder faszinieren jedoch nicht so sehr, weil seine Modelle ihre äußeren Hüllen fallen lassen. Vielmehr ist es die Intimität und echte Nähe, die aus den Fotografien spricht. Sie ist Ausdruck einer langen Verbindung. „Normalerweise fotografiere ich die Leute über Jahre, wir treffen uns wieder und wieder, teilen oft ein Stück Leben miteinander. Eine Kommilitonin begleite ich schon seit fast 18 Jahren.“
Viele seiner Modelle standen am Anfang dieses Prozesses an der Schwelle zum Erwachsenwerden – eine Phase im Leben, die Beckmann bis heute fasziniert. „Diese Zeit ist prall gefüllt mit Leben, aber auch mit Unsicherheiten, man erlebt viele Dinge zum ersten, dann zum zweiten Mal, und irgendwann wird es ruhiger, und man lernt sich selbst besser einzuordnen.“
Dabei entsteht eine Wechselwirkung, die Beckmann bis heute fasziniert: „Wenn ich zurückblicke, sehe ich, dass mich jedes Bild genauso prägt wie die abgebildete Person. Mit jeder Erfahrung, mit jeder Entscheidung wird auch mein Weg bestimmt. Meine Bilder würden heute ganz anders aussehen, wenn mir in der Anfangszeit andere Menschen begegnet, andere Sachen passiert wären.“
Dieses Spiegeln ist für den Fotografen mittlerweile so wichtig geworden, dass er sich Menschen gegenüber regelrecht „inkompatibel“ fühlt, bei denen dies nicht gelingt. Was ihm zunächst Angst machte, hat er mittlerweile akzeptiert. „Ich begreife inkompatibel jetzt nicht mehr als Manko, sondern als logische Konsequenz auf meinem Weg, mit wenigen Menschen in die Tiefe zu gehen.“
Ein scheinbares Manko als Chance – das ist auch Beckmanns Ansatz, wenn es um die fotografische Technik geht. Seine analogen Mittelformatkameras aus den 1960er-Jahren sind oft nicht mehr im besten Zustand. „Das Zählwerk ist das erste, was kaputtgeht, also schaue ich zwischendurch nach, wie weit der Film schon transportiert ist. Dadurch entstehen oft Lichtlecks auf dem Film.“
Auch beim Entwickeln und Scannen in der eigenen Küche geht einiges schief, was durchaus im Sinne des Fotografen ist: „Ich lege es nicht auf diese Fehler an, aber ich habe gelernt, sie wertzuschätzen. Mein Motto war immer: Wer nichts mehr falsch macht, macht noch lange nicht alles richtig.“
Trotz seiner strikt analogen Arbeitsweise ist Beckmann der digitalen Welt nicht abgeneigt – im Gegenteil. „Ich war von 2004 bis 2010 online sehr aktiv, interessiert im Finden meiner eigenen Position und auch der von anderen.“
Mit Facebook habe jedoch etwas begonnen, was Beckmann mit den Worten Schorsch Kameruns als „Durchökonomisierung des Selbst“ bezeichnet. „Meine Fotofreunde entwickelten sich zu Marketingmaschinen. Wenn wir früher über Unsicherheiten redeten, über Entwicklungen und Freiräume, ging es später nur noch um Wettbewerbsbeiträge, Ausstellungsteilnahmen, Veröffentlichungen.“
Beckmann zog auch hier die Reißleine und meldete sich von den meisten Foren und Online Communities ab. „Ich habe es immer genossen, das Geheimnis eines neuen Bildes mit der Welt zu teilen. Aber ich möchte auch, dass die Entstehung etwas Besonderes, etwas Verborgenes bleibt. Das verträgt sich nicht gut mit dem All-you-can-share-Prinzip von Facebook.“
Bei seen.by ist er geblieben, weil er sich gut aufgehoben fühlt und nicht nur die redaktionelle Auswahl schätzt. „Auch wenn ich meine Bilder auf Ausstellungen auf anderem Papier zeige, fragen Sammler immer wieder Archivprints auf Alu-Dibond an. seen.by ermöglicht mir diese in sehr guter Qualität.“
Die Vorräte seines Buches gehen langsam zur Neige – aber Beckmann hat schon wieder neue Pläne: „Für 2014 reift gedanklich schon ein ganz anderes, neues, großes, schön haptisches Printprojekt. Vielleicht zusammen mit einem Verlag, wer weiß.“ Außerdem wird er in diesem Jahre im Osten Deutschlands ausstellen, im April in Dresden und im Mai in Görlitz: „Darauf freue ich mich schon!“
Autor: Thomas Hafen, seen.by / Web: pixelwelten.de
Fotos Copyright: Rüdiger Beckmann, seen.by