Wie erfährt man, was Kunden wirklich von eigenen Digital-Projekten halten

Viele Unternehmen im B2B-Segment stellen gerade ihren Vertrieb auf digitale Kanäle um. Doch oft geht das Ergebnis an den Bedürfnissen der Kunden vorbei. Der Grund: Sie wurden vorher nicht befragt, was ihnen wirklich nützt. Oder: Sie wurden nicht richtig befragt. Wie es Unternehmen gelingt, ehrliche Antworten ihrer Kunden auf wichtige Fragen zu erhalten, erläutert Johannes Ihringer, Experte für digitale Transformation und Managing Director der Unternehmensberatung TTE Strategy.

„Viele Kundenbefragungen gehen an ihrem eigentlichen Ziel vorbei“, sagt Dr. Johannes Ihringer. Dieses Ziel ist: ein klarer Erkenntnisgewinn, wie man Kunden einen zusätzlichen Nutzen verschaffen und dies mit den eigenen wirtschaftlichen Interessen in Einklang bringen kann. Ihringer sagt: „Gerade im Digitalisierungskontext funktioniert das oft nicht, da die Initiativen in vielen Fällen seitens der Digital- und IT-Spezialisten geführt werden, nicht von den vertrieblichen Profis des Unternehmens.

Diesen präsentiert man gern fertige Lösungen – auch, weil sie es immer wieder selbst einfordern.“ Dabei sollten Unternehmen vor Transformationsprozessen mit ihren Kunden dringend den Austausch suchen. Damit dieser sowohl zu einem echten Erkenntnisgewinn als auch zur Vertiefung der Kundenbeziehung führt, gibt der Digital-Experte von TTE Strategy einige grundlegende Hinweise.

B2B-Digitalisierung: So erfahren Unternehmen, was ihre Kunden wirklich über ihre Digital-Vorhaben denken
B2B-Digitalisierung: So erfahren Unternehmen, was ihre Kunden wirklich über ihre Digital-Vorhaben denken

1) Kunden auf Basis der bisherigen Beziehung ansprechen

Viele Kundenbefragungen finden heute online statt. Erst recht, wenn es um Digitalisierung geht. Online-Befragungen sind günstig, schnell und die Ergebnisse oft einfach vergleichbar. „Das heißt aber noch lange nicht, dass Kunden sich eine solche Befragung auch wünschen“, sagt Johannes Ihringer. „Unternehmen tendieren bei der Interaktion mit Kunden dazu, alle gleich zu behandeln. Gerade im B2B-Umfeld, in dem der persönliche Kontakt zwischen Vertrieb und Einkauf jedoch bisher die Grundlagen gelegt hat, werden viele Kunden schlichtweg nicht teilnehmen.“

Der Digital-Experte rät dazu, gemeinsam mit den Kundenbetreuerinnen und -betreuern, die im persönlichen Kontakt stehen, zu erarbeiten: Wer würde lieber telefonisch kontaktiert, wer schriftlich, wer würde die Online-Lösung präferieren? Und wo macht vielleicht sogar ein persönliches Gespräch Sinn? Johannes Ihringer sagt: „Wenn es um den Verkauf eines Produktes geht, würde man immer den Weg wählen, bei dem der Kunde mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit eine positive Kaufentscheidung trifft. Warum sollte dies bei einer wichtigen Befragung anders sein?“

2) Durch transparente Darstellung des Ziels emotionale Sicherheit vermitteln

Wenn es um die Digitalisierung von Geschäftsbeziehungen oder der Veränderung vertrieblicher Kanäle geht, befürchten viele Kunden nach wie vor, künftig schlechter gestellt zu werden. Der persönliche Kontakt fällt weg, die Bestellung erfolgt durch ein kompliziertes Tool, Reklamationen werden durch ein Ticket-System erschwert. „Kunden begegnen den Digitalisierungsinitiativen ihrer Geschäftspartner aus Erfahrung mit Skepsis, gerade im deutschen Mittelstand“, sagt Johannes Ihringer.

„Zurecht. Denn Hand aufs Herz: Wer kennt nicht das wunderbar angepriesene Bestellportal, bei dem plötzlich für den Kunden alles schwieriger wurde? Und die Hotline, in der ein persönlicher Ansprechpartner zukünftig fehlte?“ Unternehmen, die ihre Kunden befragen wollen, müssen darum klar machen: Die Befragung dient nicht der Legitimation schon gefällter Entscheidungen. „Im Kern muss verdeutlicht werden: Es geht um euch, geschätzte Kunden. Wir wollen wissen, was euch wirklich nützt.

Wir werden auf dieser Basis abwägen und den Transformationsprozess in eurem Sinne gestalten. Nur wenn ihr uns ehrlich mitteilt, was ihr wirklich braucht und wollt, können wir voranschreiten. Es hört sich profan an, aber das muss eindeutig verbal transportiert werden“, sagt Ihringer. „Oft genug passiert das aber nicht – und der Kunde empfindet eher Unsicherheit als die Chance, an einer für ihn positiven Entwicklung selbst mitgestalten zu können.“

3) Ein Gespräch entwickeln, dass eine positive gemeinsame Zukunft beschreibt

Wer seine Kunden befragt, muss auch mit negativem Feedback rechnen. Ihringer: „Das gehört dazu und ist absolut wichtig, um Probleme zu beheben. Wichtig ist jedoch, dass eine Befragung sich nicht beim Abladen von Problemen erschöpft. Gerade dann, wenn sie auf die Zukunft ausgerichtet ist.“ Unternehmen sollten ihre Kunden darum nicht nur befragen, was nicht funktioniert hat, was sie nicht möchten und was aus ihrer Sicht nicht funktionieren wird.

Sondern schon in der Fragestellung verdeutlichen: Es geht um eine gemeinsame Zukunft, die für beide Geschäftspartner noch besser sein wird als die Vergangenheit. „Unternehmen sollten überwiegend offene, Chancen-orientierte und positiv konnotierte Fragen stellen“, sagt Johannes Ihringer. „Ohne dabei die eigene Möglichkeit zu verpassen, über ihre Fehler in der Vergangenheit und im Jetzt zu lernen.“ Im Verhältnis sollten die Zukunfts-orientierten Fragen aber klar überwiegen, damit das Gespräch – egal in welcher Form – keinen Negativ-Sog entwickelt.

4) Gelenkte offene Fragen als Stilmittel nutzen

„Wer zu offen fragt, erhält vielfach Aussagen, die nicht direkt zur Frage passen und die auch noch sehr schlecht vergleichbar sind“, sagt Johannes Ihringer. „Und wer zu viele geschlossene Fragen stellt, der erweckt den Eindruck, als ob er die Antworten schon kenne und eine zu klare Richtung vorgeben will. Beides hat sich in Befragungen vielfach als kontraproduktiv erwiesen.“ Darum ist es auch hier wichtig, eine Balance zwischen offenen und geschlossenen Fragen herzustellen – und damit den Gesprächspartner durch die Befragung zu lenken. „Oder beides miteinander zu kombinieren.

Also eine gelenkte offene Frage zu stellen“, sagt Ihringer. Ein Beispiel könnte sein: eine offene Frage zu stellen, fünf Antwortoptionen vorzugeben, die man auswählen kann (gelenkt) – um dann zu den ausgewählten Optionen noch einmal offen nach der Motivation für die Auswahl zu fragen. „Damit gelingt es, sowohl schnell quantifizierbare Daten als auch differenzierte Aussagen zu erhalten. Und der interviewte Kunde fühlt sich auf der einen Seite gewertschätzt, weil er nicht nur vorgefertigte Antworten auswählen, sondern auch offen erläutern darf. Und gleichzeitig ausreichend unterstützt, die wirklich relevanten Punkte zu treffen.“

5) Begeisterung und Engagement des Kunden sicherstellen, indem klare Folgeschritte definiert werden

Von den meisten Befragungen hören die Befragten nie wieder. „Ich erlebe immer wieder, dass nach einer Befragung zunächst die Kommunikation eingestellt und irgendwann dann eine Lösung präsentiert wird“, sagt Johannes Ihringer. „Oft haben die Befragten dann schon längst wieder vergessen, was sie einmal geantwortet haben. Das Gefühl, an einem Veränderungsprozess beteiligt zu sein, ist ebenfalls weg.“ Das Problem: Zum einen fühlen sich die Ergebnisse nicht mehr als gemeinsame Ergebnisse an. Zum anderen verschenken Unternehmen die Chance, Kunden auch während Entwicklungsprozessen immer wieder punktuell einzubinden.

Ihringer: „Ich rate dazu, eine Befragung nicht als eine einmalige Situation zu sehen. Quasi ein einmaliges Briefing, auf dessen Basis dann gearbeitet wird. Vielmehr rate ich dazu, gemeinsam mit den Befragten klare Folgeschritte zu definieren: Dann erhalten Sie die Ergebnisse der Befragung. Das wird mit den Ergebnissen bis dann gemacht. An dieser Stelle wäre es wertvoll, wenn Sie erneut Feedback geben könnten. So lassen sich Kunden langfristig in den Transformationsprozess einbinden. Es gibt ihnen die Sicherheit, ein Teil davon zu sein. Und nicht nur ein Zuschauer am Rande. Unternehmen, die so vorgehen, haben beim Launch von neuen Prozessen deutlich weniger Aufwand im Nachgang“.

Foto / Quelle: TTE Strategy GmbH, www.tte-strategy.com

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