Chinesische Atomkonzerne verringern offenbar ihr finanzielles Engagement beim umstrittenen AKW-Projekt Hinkley Point C. Anders als geplant wird beim morgen beginnenden Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Großbritannien laut Medienberichten keine offizielle Investitionsvereinbarung zwischen der britischen Regierung und chinesischen Investoren für den Bau des Atomkraftwerks im Südwesten Englands unterzeichnet.
Zudem wollen die Staatskonzerne China National Nuclear Corporation (CNNC) und Chinese General Nuclear Power Group (CGN) deutlich weniger Geld in den Reaktorbau Hinkley Point C im Südwesten Englands stecken als angekündigt: Der Anteil soll statt der zuvor genannten 40 Prozent nur noch 30 Prozent betragen. Als Gründe dafür werden unter anderem rechtliche Unsicherheiten bei der Finanzierung des AKW-Projektes genannt.
Greenpeace Energy aus Hamburg klagt zusammen mit weiteren Akteuren gegen die britischen Subventionen in Höhe von 100 Milliarden Euro für das AKW. Laut Studien verzerren diese den Wettbewerb auf dem europäischen Strommarkt und benachteiligen Anbieter erneuerbarer Energien. Ein heute von Greenpeace Energy veröffentlichtes Dossier belegt zudem, dass mindestens einer der chinesischen Staatskonzerne in Umwelt- und Bestechungsskandale verwickelt war.
„Die Investoren wissen, dass Hinkley Point C für sie zum milliardenschweren Risiko werden kann, solange die vom britischen Staat geplanten, üppigen Subventionen noch vor Gericht verhandelt werden“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. Die beiden großen Ratingagenturen Moody’s und Standard & Poor’s hatten zuvor angekündigt, die Kreditwürdigkeit von Investoren herabzustufen, wenn diese in Hinkley Point C investieren. Grund sei vor allem die Gefahr von massiven Kostensteigerungen und einer unsicheren Finanzierungslage. „Dazu gehört auch die aus unserer Sicht unrechtmäßige und unfaire Beihilfe, die die EU-Kommission Großbritannien niemals hätte genehmigen dürfen“, sagt Tangermann.
Greenpeace Energy hat zusammen mit acht deutschen Stadtwerken und der oekostrom AG aus Österreich Mitte Juli vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg gegen die Subventions-Erlaubnis der Kommission geklagt. Auch die österreichische Bundesregierung geht gerichtlich gegen die von der EU-Kommission genehmigte Beihilfeentscheidung vor. Beide Klagen wurden vom Gericht entgegengenommen und in der vergangenen Woche im offiziellen EU-Amtsblatt veröffentlicht.
CNNC und CGN haben bereits 2013 von der britischen Regierung die Erlaubnis erhalten, sich finanziell an Hinkley Point C zu beteiligen. Teil des geplanten Investitions-Vertrages ist unter anderem, dass beide Unternehmen in Großbritannien mindestens ein weiteres Atomkraftwerk mit chinesischer Technik bauen dürfen. Derzeit wird auch in Großbritannien kontrovers über das Subventionspaket für Hinkley Point C diskutiert – und über die Rolle der chinesischen Partner. Britische Experten und Politiker befürchten Sicherheitsrisiken, mangelnde Transparenz und kritisieren immer stärker die hohen Kosten des Projektes.
„Wir begrüßen, dass die Debatte über dieses teure und riskante AKW-Projekt mit all seinen Folgen auch in der britischen Öffentlichkeit geführt wird“, sagt Sönke Tangermann, „denn nicht nur die staatlichen Subventionen und Garantien sind problematisch, sondern auch die möglichen Investoren.“ Dies zeigt ein Blick auf das neue Dossier mit den bisherigen Aktivitäten der chinesischen Staatskonzerne.
Millionenschwere Korruption, ein ökologisch desaströser Uranabbau, Unregelmäßigkeiten bei Atomtransporten und niedrige Sicherheitsstandards bei chinesischen AKW prägen das Bild. Zudem ist über Störfälle in China und die Qualität des Krisenmanagements von CNNC und CGN viel zu wenig bekannt. „Vertrauenswürdige Partner für ein europäisches Energie-Projekt sehen anders aus“, so Tangermann.
Neben den chinesischen Unternehmen bleibt derzeit einzig der Betreiber von Hinkley Point C, der französische Staatskonzern Electricité de France (EDF), übrig, um die Investitionen zu stemmen. Diese belaufen sich auf umgerechnet mehr als 30 Milliarden Euro – sofern der aktuell geplante Kostenrahmen eingehalten wird. Der Kraftwerksbauer Areva hat aus finanziellen Gründen seine finanzielle Beteiligung von rund 15 Prozent an Hinkley Point C bereits aufgekündigt. Auch potenzielle Geldgeber aus Kuwait, Katar und Saudi-Arabien haben ihr Interesse an einer Beteiligung zurückgezogen.
Über Greenpeace Energy:
Die Energie-Genossenschaft wurde 1999 von Greenpeace Deutschland gegründet und arbeitet bis heute nach den ökologischen Vorgaben der Umweltschutzorganisation. Greenpeace Energy versorgt rund 111.000 Kunden mit Ökostrom und mehr als 10.000 Kunden mit dem Gasprodukt proWindgas. Als Genossenschaft ist Greenpeace Energy in alleinigem Besitz seiner 23.000 Genossenschaftsmitglieder und arbeitet aus Prinzip nicht profitmaximierend.
Foto / Quelle: greenpeace-energy.de