Thomas Strerath, Ogilvy & Mather, im Interview

Der Hamburger Kommunikationsverband e.V. führte ein Interview mit Thomas Strerath, dem Chef von „Ogilvy & Mather“, zum Thema „Warum gab es in Cannes keine Löwen für den Deutschen Werbefilm?“. Hier sind Fragen und Statements:

Thomas Strerath
Thomas Strerath

Kommunikationsverband: „Heute werden in Hamburg beim Löwendinner die begehrten Trophäen verteilt. Für Film gab es dieses Jahr leider kein Metall, sondern nur Shortlist. Wir Deutschen suchen ja immer gerne nach einem Schuldigen? Gibt es den überhaupt?“

Thomas Strerath: „Natürlich gibt es den! Es ist die Vernunft, es ist der Glaube der Deutschen, dass Probleme nur rational zu lösen sind. Wenn es ernst wird, ist für Gefühl kein Platz. Und dort wo es um viel Geld geht, dort ist es ernst. Also werden Filme mit Ernsthaftigkeit betrieben und Skripte, Castings, Regie, Schnitt und Ton mit Ratio betrachtet. Es werden Argumentationen verfilmt, aber keine Geschichten erzählt. Es wird Emotion abgebildet, aber keine ausgelöst. Das Wissen über die Emotion in der Kaufentscheidung ist vorhanden, weicht aber am Ende oft dem Reflex, es dem Endkunden noch mit guten Argumenten erklären zu wollen.“

Kommunikationsverband: „Was sind die Ursachen dafür, dass die deutschen Filme in diesem Jahr keinen Löwen in Cannes gewonnen haben? Nicht mal einen in Bronze?“

Thomas Strerath: „Cannes ist ja nur ein Schmerzpunkt, aber nicht wirklich die Krankheit. Nur während man in vielen anderen Kategorien kostengünstig Goldideen produzieren kann, geht das bei Film nicht. In der Kategorie Film zählt der Film, und nicht der Case-Film.“

Kommunikationsverband: „Bedeutet das, dass die Kreativen hierzulande keinen guten Job machen, oder dass die Kunden keinen Mut zu Kreativität haben oder vielleicht sogar, dass Kreativität in Deutschland nicht verkauft?“

Thomas Strerath: „Es geht ums Geld. Wenn man viel Geld investiert, möchte man sicher sein, dass es arbeitet. Also sichert man sich ab. Nutzt Marktforschung und lässt so den Konsumenten Regievorschläge machen, betreibt Benchmarking und bleibt so im bereits Erprobten und optimiert seinen Erfolg und schreibt so die Vergangenheit fort. In Summe: rückwärts gewannt lassen wir Amateure auf ausgetretenen Pfaden über TV-Spots entscheiden. Das ist natürlich überzeichnet, deutet aber an, dass zu selten mit unternehmerischen Mut nach Differenzierung gesucht wird. Lieber keinen Fehler machen, als eine Chance nutzen. Es wäre aber falsch, das einseitig Kunden oder Kreativen zuzuordnen: wir sind ein Land der vernünftigen Ingenieure und weniger der leidenschaftlichen Verführer. Das prägt eben auch Unternehmenskulturen.“

Kommunikationsverband: „Wenn man sich das Deutsche Unterhaltungsprogramm ansieht, dann dominieren Formate die von Spott und Fremdschämen geprägt sind – hat das Auswirkungen auf die Werbung, die wir machen?“

Thomas Strerath: „Diese Formate sehen wir aber kaum in der Werbung. Und sie sind letztlich auch nur Derivate internationaler Produktionen. Ihr Erfolg erklärt sich auch weniger aus ihrer hohen Begehrlichkeit, als aus ihrer guten Kosten-Nutzen-Relation: der Sender bekommt für überschaubares Geld eine stabile (niedrige) Quote. Blockbuster bedeuten Investition und Risiko. Hier treffen sich wieder Content und Advertising, da beide das Risiko kaum nehmen wollen.“

Thomas Strerath
Thomas Strerath

Kommunikationsverband: „Was muss passieren, damit unsere Filme sich in der internationalen Kreativszene durchsetzen?“

Thomas Strerath: „Wir müssen der Emotion den Platz geben, der ihr entsprechend ihres Einflusses auf Kaufentscheidungen gebührt. Wir müssen ganz rational auf die Kraft grosser Geschichten vertrauen. Wir sollten Gänsehaut, Tränen und Herzrasen auslösen wollen und nicht auf Verständnis hoffen. Wenn die Agenturen und Kunden wirklich vernünftig sind, führen wir eine Diskussion über die Abschaffung der Vernunft in TV-Skripts.“

Kommunikationsverband: „Sie haben sich als Juryvorsitzender für einen Kreativpreis – DIE KLAPPE – engagiert. Wie wichtig sind Kreativpreise für die deutschen Agenturen? Bzw. für ein Agenturnetzwerk wie Ogilvy & Mather?“

Thomas Strerath: „Die grösste Anerkennung für einen Kreativen ist die Anerkennung seiner Feinde. Und Awards bekommt man nur von der Konkurrenz. So sind Awards extrem wichtig für die Motivation der Kreativen. Zudem ist es Fakt, dass Longlists im wesentlichen aus Rankings erzeugt werden; somit haben Awards auch für Business-Entscheider auf Kunden- und Agenturseite eine grosse Bedeutung.“

Kommunikationsverband: „Ogilvy gewinnt gerade einen Etat nach dem anderen – Sie jagen von einem Kundentermin zum anderen. Wie schaffen Sie es, sich als Jurypräsident bei DIE KLAPPE zu engagieren und warum ist das aus Ihrer Sicht wichtig?“

Thomas Strerath: „Es stimmt, dass ich gerne einen Grossteil meiner Zeit mit Kunden verbringe. Aber gerade diese Arbeit an der Kundenfront zeigt mir, dass bestimmte Diskussionen ein grösseres Forum brauchen. Viele unserer Kunden stellen sich ja genau diese Fragen nach dem Quantum von Emotion und Kreativität in Bewegtbild. Ich tue quasi nichts anderes, als einzelne Kundengespräche in eine offene Plattform zu giessen.“

Kommunikationsverband: „DIE KLAPPE schickt dieses Jahr die Gewinner des Nachwuchspreises zu den New York Festivals anstatt nach Cannes – ist das die richtige Entscheidung?“

Thomas Strerath: „Grundsätzlich ist Cannes eines der wichtigsten Werbe- & Filmfestivals überhaupt und für junge Leute unglaublich spannend, aber die Sieger kommen immer aus dem nordamerikanischen Raum – auch bei den Nachwuchskreativen. Da lag die Überlegung nahe, die jungen Leute dahin zu schicken, wo die besten Filme gemacht werden. Und die Kooperation mit den New York Festivals ist eine tolle Sache, weil die Youngster nicht nur zur Preisverleihung, sondern auch zu den Workshops rund um das Festival eingeladen sind und nicht zuletzt ist New York eine tolle Stadt.“

Web: kommunikationsverband.de & ogilvy.de

Quelle: © Kommunikationsverband e.V. / Fotos: © Ogilvy & Mather

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