In der Not fallen Zusammenschlüsse häufig leichter. Bei großer und ganz großer Not gilt das vermutlich erst recht. Die große Frage ist, wo genau bei den größten deutschen Linienreedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd, die eine Fusion prüfen, derzeit die Pegel stehen, ob es bald schon heißt: „Frauen und Kinder zuerst.“
Versuche, die beiden Reedereien in einen Konvoi zu bringen, hat es wiederholt gegeben. Zuletzt wurde es im Herbst 1996 versucht. Ein ganz schlechtes Timing, denn Hamburg Süd feierte damals gerade ihr 125-jähriges Bestehen.
Reedereien sind stolze und traditionsbewusste Gebilde. Man habe über eine weitreichende Zusammenarbeit in der Container-Linienschifffahrt geredet, hieß es damals: „Weitergehende Presse-Darstellungen mit Blick auf eine Fusion seien spekulativ und ohne jede Basis.“
Von den Fahrtgebieten her passten Hapag-Lloyd (heute weltweit die Nummer 6) und Hamburg Süd (Rang 12) schon damals hervorragend zusammen – und sie tun es immer noch. Hamburg Süd ist stark in der Südamerika-Fahrt unterwegs, und Hapag-Lloyd schlägt sich auf der Ost-West-Rennstrecke Asien-Europa wacker.
Durch die Übernahme der kanadischen CP deckt sie inzwischen auch Nordamerika gut ab, was in diesen Zeiten ziemlich hilfreich ist. Das zentrale Asset von Hapag-Lloyd ist ihre avancierte IT. Wie wenige andere Reedereien weiß sie genau, auf welchen Strecken noch Geld verdient wird – oder die Verluste am geringsten sind.
Den Trend zu weltumspannenden Logistiknetzen hat die mit großem Abstand weltweit führende dänische Mærsk Line vorgegeben, die mit 580 Frachtern auf den sieben Meeren unterwegs ist. Nach der Integration der amerikanischen Sealand und der britischen P&O setzt der Marktführer die Branche mit dem weltumspannenden und zeitlich garantierten Lieferservice „Mærsk Daily“ enorm unter Druck. Und Mærsk wird in den nächsten Jahren 20 Mega-Carrier mit einer gigantischen Transportkapazität von jeweils 18000 Standardcontainern in Fahrt bringen. Das Frachtraumangebot steigt also weiter rasant und drückt auf die Preise.
Das Ratendesaster wird sich in diesem Umfeld daher ungebremst fortsetzen und den Konsolidierungsdruck erhöhen. Bei Hapag-Lloyd muss sich jetzt zeigen, ob die mit einem Höchstmaß an Financial Engineering aus der Tui-Sphäre hinauskomplimentierte Großreederei schon genügend Gestaltungsspielraum hat, um eine faire Rollenverteilung hinzubekommen.
Kommentar von Gottfried Mehner, Börsen-Zeitung
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