Eine Testserie untersucht die aktuelle Positionierung deutscher Hotelmarken und ihre Entwicklung. Dabei wurden Schwachstellen innerhalb der Marke Steigenberger identifiziert. Ein erst kürzlich absolvierter anonymer Hoteltest des Fachmagazins Schlafen Spezial im Steigenberger Icon Grandhotel in Leipzig wirft die Frage auf, ob die Deutsche Hospitality bzw. H World International mit dieser Marke das Luxussegment als Nischenstrategie verlässt. Schlafen Spezial richtet sich mit einer durchschnittlichen Auflage von 500.000 Exemplaren pro Jahr an den Endverbraucher und stellt seinen Lesern regelmäßig prämierte Hotels vor.
Jens Rosenbaum, Hoteltester und Herausgeber von Schlafen Spezial, sieht nach sieben getesteten Steigenberger Hotels Handlungsbedarf seitens des Unternehmens: „Bei den ausführlichen Hoteltests erreichten die unter die Lupe genommenen Betriebe in bestimmten, aber wichtigen Bereichen irgendwo nur die graue Mitte. Ob das jedoch dauerhaft für die Liga der Luxus- oder Premium-Hotels ausreicht, dürfte bei den Ergebnissen Zweifel aufwerfen. Gerade im Hinblick auf das Hotelbett, dem wohl wichtigsten Ausstattungsmerkmal eines Hotels. Jedoch muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass die Mitarbeitenden in Leipzig in Bezug auf den Service sehr positiv aufgefallen sind.“
Im Gegensatz zu Einzelhotels – oder Hotelunternehmen mit wenigen Standorten – brauchen vor allem Hotelketten eine besondere Strategie für eine überregionale Positionierung. Die Marke Steigenberger stand bislang eindeutig für eine Positionierung im Premium- beziehungsweise Luxusbereich. Diese Positionierung sollte über den reinen Marketingansatz hinaus für den Gast auch in der Praxis vor Ort erkennbar und erlebbar sein. Daher liegt der Schwerpunkt dieser evidenzbasierten Hoteltests auf Zimmer, Bett, Bad, Hygiene und Service – den Kernleistungen eines jeden Hotels.
Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen einer Studie seit dem Jahr 2018 auch deutsche Hotelmarken mit Gruppenstruktur unter zentraler Leitung bzw. Hotelketten untersucht, wie zum Beispiel Dorint, Lindner, Maritim, Motel One oder Steigenberger. In all diesen Ketten wurden mehrfach anonym Tests durchgeführt und die Auswertungen mit dem allgemeinen Marktdurchschnitt sowie der jeweils individuellen Werbedarstellung abgeglichen. Diese Testserie erfolgt unter anderem auch im Auftrag des Magazins Cost & Logis .
Mit der Übernahme von Steigenberger durch den chinesischen Konzern Huazhu Ende 2019 trat ein potenter Investor auf den Plan, der grundsätzlich das Potential zur weiteren Entwicklung und Fortführung der Marke hat. „Doch wie aus verschiedenen Quellen zu vernehmen ist, hat Masse nun möglicherweise Vorrang vor der Luxus-Nische. Denn Luxus, so wie er hierzulande definiert wird, gibt es in Europa nicht in Masse. Da muss jeder Standort mit viel Liebe zum Detail, Geduld und Geld entwickelt und dann auch gehalten werden. Mit Blick auf die Ergebnisse von insgesamt sieben Tests bei der Marke Steigenberger sind zumindest Fragezeichen über die künftige Ausrichtung angebracht“, fügt Jens Rosenbaum hinzu.
Auch vor dem Hintergrund der Schließung der Steigenberger Akademie in Bad Reichenhall zum Sommer diesen Jahres wäre womöglich eine gewisse Aufmerksamkeit in Bezug auf das Handeln des Unternehmens angebracht. Die erst in 2022 von der Deutsche Hospitality (H World International) übernommene Akademie sollte eigentlich dazu beitragen, dem Fachkräftemangel entgegenwirken sowie gleichzeitig die Weiterbildungsmöglichkeiten für die insgesamt rund 11.000 Mitarbeiter des Unternehmens ausweiten.
Maßnahmen zur Stärkung einer Positionierung im Luxussegment, wo es vor allem auf die sowohl quantitative wie auch qualitative Ausstattung mit der Ressource Personal ankommt. Sich von diesem Vorhaben nun zu trennen, kann daher auch bedeuten – dazu würden die vorliegenden Ergebnisse passen – das Ziel einer Luxusmarke, die vor allem von exzellent ausgebildetem Personal lebt, mittelfristig aufzugeben. Oder nicht mehr in der Intensität wie früher fortzuführen.
Quelle / Foto: www.schlafenspezial.de, Jens Rosenbaum