Es knirscht und knackt während sich die Eisenzähne Schritt für Schritt in den harten, weißen Untergrund bohren. Im nächsten Augenblick versinken die Schneeschuhe wieder mehrere Zentimeter im fluffig-watteweichen Weiß, das sich in den Senken des sanften Bergrückens angesammelt hat. Vor drei Tagen hat Frau Holle für ausreichend Nachschub gesorgt.
Nachschub, den der Wind nun Tag für Tag über das Gelände wandern lässt und die Schneelandschaft unterhalb des Mallnock formt. Wie kleine, weiße Sanddünen, die jeden Morgen für einen neuen Anblick sorgen und die Spuren des vorangegangenen Tages vergessen lassen.
Der Wind spielt hier im Biosphärenpark ohnehin eine große Rolle. Kommt er von Süden, verspricht er im Winter oft üppigen Schneefall. Von Norden kommend schiebt er die Wolken südwärts und sorgt für klare Sicht. Heute legt er einen Ruhetag ein, was unsere Tour in Richtung des 2.226 Meter hohen Mallnock sehr angenehm macht und zu vielen Zwischenstopps und Pausen einlädt.
Ich wandere mit Markus Böheim von der Bergstation der Brunnach-Bahn durch die verschiedenen Naturzonen im Biosphärenpark Nockberge. Gerade befinden wir uns in der 2. Zone und wandern durch die Winterlandschaft in Richtung der Naturzone. Sozusagen in Richtung Kerngebiet.
Markus ist Ranger im Biosphärenpark. Seine Aufgabe besteht aber nicht nur darin in den Nockbergen „nach dem Rechten zu sehen“. Er kümmert sich auch um die Beschilderung und, und das ist eine seiner wichtigsten Aufgaben, er bringt Gästen wie Schulklassen das Ökosystem und das Zusammenspiel von Natur und menschlichem Handeln näher.
In der 2. Zone findet im Sommer noch Landwirtschaft statt. Landwirtschaft, die die Kulturlandschaft seit Jahrhunderten geformt und ihr ihre heutiges Aussehen gegeben hat. Und die dafür sorgt, dass dieser vielfältige Lebensraum erhalten bleibt.
Die Naturzone beginnt kurz vor dem finalen Anstieg auf den Mallnock. Hier wird der Schutzstatus höher. Doch der Gipfel, den ich bereits im Verlauf meiner Skidurchquerung durch die Nockberge besucht habe, ist heute nicht das Ziel unserer Wanderung. Vielmehr ist es der Weg dorthin.
Die deutlichen Spuren der Schneehasen lassen uns immer wieder Innehalten. Und Markus gibt mir einen Einblick in „sein Büro“, wie er es nennt. Einblicke in ihm wohl-bekanntes Terrain.
Der Weg ist flach und wenig fordernd. Viel Luft und Zeit für eingehende Gespräche. Markus erzählt von den vielen Touren, die er im Rahmen des Gästeprogramms hier oben unternimmt. Dabei zeigt er den Gästen die kleinen und großen Schönheiten „seines Büros“. Dinge, die für den ungeübten Betrachter oft im Verborgenen bleiben.
Schon mal Schneeschuhe angehabt?
Nicht nur die Natur und das Ökosystem der Nockberge, auch das richtige Gehen mit den Schneeschuhen ist fester Bestandteil der Wintertouren. Viele der Gäste haben nie zuvor diese breiten Schaufeln unter den Füßen gehabt. Und den meisten dürfte auch ein LVS-Gerät fremd sein. Aber auch die Sicherheit im Gelände steht auf dem Programm.
Der richtige Umgang mit dem LVS-Gerät und die Erklärung, welche Geländeabschnitte im Winter besondere Gefahren bergen. Denn auch wenn die Nockberge oft als sanfte Hügellandschaft wahrgenommen werden. Die über 2.400 Meter hohen Gipfel rund um Bad Kleinkirchheim weisen durchaus die ein oder andere steile Gras- und Felswand auf.
Wir gehen immer tiefer in den Biosphärenpark. Zu Beginn unserer Wanderung konnten wir noch das Gipfelpanorama der umliegenden Berge genießen. Inzwischen hat sich ein dichter Nebelschleier festgesetzt. Und da es heute nahezu windstill ist, hält er sich hartnäckig.

Sanfte Bergkuppen, weite Almen: ein beeindruckendes Panorama / © Björn Ahrndt
Was schlecht für die Aussicht ist, ist gut für die kleinen Dinge entlang unseres Weges. Die Flechten, Eiskristalle und Moose, die an den Lärchen und den frei geblasenen Felsen wachsen. Konglomerat mit Quarz durchsetzt. Die Spuren von Schneehase und Co. und die Stellen, an denen sich das Rotwild im Winter den ein oder anderen Energieschub holt. Auch die Stille und Weite der Nockberge wird durch den weißen Schleier einmal mehr unterstrichen.
Am Fuße des Mallnock zweigt links die Biosphärenpark-Runde ab. Einer von mehreren Sommer-Wegen, die die Wanderer noch tiefer in die Weite der Nockberge führt. Im Winter ist der Weg zu gefährlich. Und da sich auch der Mallnock-Gipfel in ein dichtes Nebelgewand gehüllt ist, entscheiden wir uns für den Rückweg zur Bergstation, wo schon ein Kärntner Ritschert wartet.
Ein typisch kärntnerischer Eintopf mit sehr langer Tradition, den man inzwischen leider nur noch selten auf den Speisekarten findet. en massig-breiten Gipfel des Mallnock konnte bereits gestern bewundern. Von der gegenüberliegenden Seite aus Richtung Rödresnock. Der wird in Karten auch als Rodresnock bezeichnet.
Die Einheimischen nennen ihn aber meist Moschelitzen, denn südlich von ihm breitet sich die gleichnamige Alm aus. Der 2.310 Meter hohe Gipfel steht gegenüber dem Falkert. Zu dessen Füßen wiederum liegt das kleine Familienskigebiet Heidi Alm Ski Park. Mit entsprechender Ausrüstung ist auch der Rödresnock einer der vielen Nockberge-Gipfel, der mit Schneeschuhen zu erreichen ist.
400 Höhenmeter hinauf
Ich war am gestrigen Tag allerdings mit den Tourenskiern unterwegs. In Begleitung von Flo Köfer ging es die 400 Höhenmeter vom Falkertsee hinauf auf den höchsten Punkt. Auf den ersten Metern folgten wir dabei dem Skitourenlehrpfad, den der ehemalige Freeride-Profi hier angelegt hat. Flo ist am Falkertsee aufgewachsen. Wie Ranger Markus kennt auch er das Terrain wie seine Westentasche.
Über das Sonntagstal, zwischen Rödresnock und Falkert, ging es hoch zur Falkertscharte, von wo aus der Blick in Richtung Mallnock und in die Tauern bereits beeindruckend ist. 100 Meter höher, am Gipfelkreuz des Rödresnock, legen die Nockberge in Sachen Panorama nochmals eine Schippe drauf! Es kommen unter anderem die Gipfel der Karawanken und die der Linzer Dolomiten dazu. Die Gipfelparade scheint unendlich!
Skifahren, Schneeschuhwandern oder Langlaufen. Die Wintersportmöglichkeiten in den Nockbergen sind vielfältig. Dazu zählt auch das Skitourengehen. Über mehrere Tage hinweg wie auf dem Nockberge Trail, oder auf einer Tagestour wie der hinauf zum Rödresnock. Und auch auch an diesem Gipfel zeigt sich neben der ruhigen und sanften auch die wilde und steile Seite des Biosphärenparks.
Unterschätzen darf man das Gebirge keineswegs. Dafür erwarten Skitourengeher aber auch die ein oder anderen herrlichen Powder-Abfahrten. Mal etwas steiler, mal mit weniger Gefälle, wie meine Tour mit Flo einmal mehr unter Beweis stellte. Die Natur und das eindrucksvolle Panorama sind aber nicht die einzigen Gründe für einen Besuch der Nockberge.
Ausgezeichnete Hotels, die Thermen von Bad Kleinkirchheim und die Seen der Region locken Sportler, Naturliebhaber und Genuss-Urlauber gleichermaßen in das Herz von Kärnten. Die Thermen von Bad Kleinkirchheim sind auch ein willkommener Ort nach einem sportlichen Tag in einem der Skigebiete. Fünf an der Zahl gibt es in der näheren Umgebung.
Wie der Sportberg Goldeck, der mit der längsten schwarzen Talabfahrt der Alpen lockt. Oder Bad Kleinkirchheim selbst mit seiner Weltcup-Piste und insgesamt 103 Pistenkilometern, auf denen Abfahrtslegende Franz Klammer seine ersten Siege feierte. Eben diesen Franz Klammer, den „Skikaiser“, treffe ich am letzten Tag meines Aufenthalts.
Zu ungewohnt früher Zeit geht es mit den ersten beiden Sektionen der Umlaufkabinenbahn vom Talort hinauf zur Kaiserburg. Auf 2.055 Metern Höhe steigt die Sonne gerade über den östlich gelegenen Lichteben empor. Es ist kurz nach 7 Uhr, als ich mit 37 weitern Frühaufstehern die ersten Schwünge auf die frisch präparierten Pisten setze.
„Ski vor 9 mit Franz“. Ein beliebtes Event mit begrenzter Teilnehmerzahl. Maximal 50 Gäste können teilnehmen. Nach einem kleinen Frühstück und einem ersten Kennenlernen geht es, begleitet von den Skilehrern nach oben. Und Franz Klammer ist auch dabei. Die Skilegende ist fest mit der Region und dem Skigebiet verbunden. An diesen Hängen hat er seinen ersten Europacup-Sieg gefeiert.
Olympiasieg 1976
Zahlreiche weitere Erfolge sollten folgen. So auch der Olympiasieg 1976 in der Abfahrt von Innsbruck, der ihn endgültig zum Helden einer ganzen Nation und zur Legende hat werden lassen. Auch wenn seine Erfolge schon einige Winter zurückliegen. Seiner Bekanntheit hat das keinen Abbruch getan.
Im Anschluss an das „Early Morning Skiing“ gibt es einen gemeinsamen Brunch an der Bergstation der Kaiserurgbahn. Natürlich in der Franz Klammer Stube. Und der Franz, den hier ganz selbstverständlich jeder Duzt, nimmt sich Zeit für Fotos und Autogramme und hat auch die ein oder andere Anekdote parat. Trotz seiner Bekanntheit und seines Ruhms ist er Mensch geblieben. Bodenständig und nahbar.
So wie die Nockberge. Diese sanften und doch so markanten Hügel, die Dir vom ersten Kennenlernen an im Gedächtnis bleiben. Bodenständig und nahbar, wie die gesamte Region und die Menschen die hier leben, und die ich Verlauf meines Besuch kennenlernen durfte:
Meine Gastgeber im Hotel Kirchheimer Hof, den ehemaligen Freerider Flo, der sich selbst als Lebenskünstler beschreibt, Ranger Markus, dessen Lebensgeschichte und Wissen um die Nockberge Bücher füllen könnte, und eben dieser „Franz“, der meinen letzten Tag in Bad Kleinkirchheim um eine weitere, einmalige Erinnerung bereichert hat.
Quelle / Fotos: bergparadiese.de