In Bayern gab es nun eine interessante Diskussion zum Thema lokale Medien, also in dem Bereich, wo wir von hamburg040.com uns positionieren.
Heimat ist ein schillernder Begriff, für den es keine allgemeingültige Definition gibt. Es gibt eine Renaissance der Heimat und des Lokalen und beides hat nicht nur in der realen Welt Bedeutung, sondern auch im Netz. Darin waren sich die Diskutanten der zehnten Augsburger Mediengespräche unter dem Titel „Global – lokal – glokal: Wie wichtig ist das Lokale in der digitalen Welt?“ am gestrigen Donnerstag im Augsburger Rathaus einig.
„Es drängt sich der Eindruck auf, dass eine Sehnsucht nach Heimat besteht, man entsprechende Angebote gerne wahrnimmt, aber zu wenige bereit sind, sich im Lokalen zu engagieren“, erklärte der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, Siegfried Schneider, bei der Begrüßung der rund 200 Gäste. Die lokalen Medien können hier eine wichtige Rolle spielen, da sie Identifikation ermöglichen und Orientierung bieten.
Auch der Oberbürgermeister von Augsburg, Dr. Kurt Gribl, betonte in seinem Grußwort, dass die lokalen Medien das Heimatgefühl stärken können. Er lobte speziell die Augsburger Medien, „die ein Gespür dafür haben, was die Menschen bewegt“. Er selbst verfolge mittlerweile auch im Urlaub über seinen Tablet-PC die Berichterstattung der Lokalzeitung.
Im ersten Teil der Diskussion, die von Sabine Arndt, Moderatorin bei 17:30 Sat.1 Bayern geleitet wurde, ging es vor allem um den Begriff Heimat. Prof. Dr. Hans Zehetmair, ehemaliger Kultus- und Wissenschaftsminister und seit 2004 Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung, mahnte an, dass Heimat nicht nur Nostalgie sein dürfe. Heimat sei ein Wertebegriff, der gelebt werden müsse. Zehetmair hatte in seinem ersten Jahr als Kultusminister für das Schuljahr 1986/87 das Motto „Heimat bewusst leben“ vorgegeben und ist Autor des Buches „Heimat heute“.
Für Volker Klüpfel, bekannter Krimiautor und ehemaliger Redakteur u.a. bei der Augsburger Allgemeinen, für den das Allgäu nach wie vor seine Heimat ist, auch wenn er jetzt in Augsburg lebt, ist Heimat vor allem eine Chiffre: „Die Leute wollen ein Heimatgefühl. Es ist ein Zeichen für das Bedürfnis nach Beschaulichkeit.“
Prof. Dr. Marita Krauss, Inhaberin des Lehrstuhls für Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte an der Universität Augsburg, betonte, dass Heimat etwas sehr Individuelles ist, das sich wandeln darf, aber immer auch bewahrt und gepflegt werden muss. Heimat bedeute auch, so Prof. Krauss, dass man Menschen, die neu an einen Ort kommen, integrieren müsse: „Man muss Vielfalt als Chance begreifen.“
Deutlich kritischer als die anderen Podiumsteilnehmer sieht der Kulturjournalist Dr. Alexander Kissler den Begriff Heimat: „Heimat ist immer auch ein Sehnsuchtsort, der durch die Heimatindustrie befriedigt wird.“ Für Kissler ist Heimat angesiedelt in einem Geflecht zwischen Heimatgefühl, Heimattümelei und Heimatindustrie. Man dürfe nicht vergessen, dass Heimat auch ausgrenzen könne und in unserer heutigen „fluiden Existenz“ wie eine Uniform getragen werde. „Vielleicht ist Heimat am ehesten da, wo man begraben werden will“, so Kissler.
Horst Bonhorst, ehemaliger Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen, in Nürnberg geboren, im Ruhrgebiet aufgewachsen und seit langem in Augsburg lebend, plädierte dafür, einen Plural für das Wort Heimat zu schaffen, da er sowohl Augsburg als auch das Ruhrgebiet als Heimat empfinde. Bonhorst war es auch, der als erster die Rolle der Medien thematisierte, die den zweiten Teil der Diskussion beherrschte. Seiner Ansicht nach werden die lokalen Medien, vor allem die Lokalzeitung, auch in der digitalen Welt überleben: „Sie sind es, die mit ihrem Qualitätsjournalismus ein ordnendes Element und Seriosität ins Netz bringen“, so Bonhorst.
Für Prof. Krauss liegt die Gefahr der Kommunikation im Netz vor allem darin, dass vieles anonym publiziert wird. Manche Blogger sitzen an einem „anonymen Weltstammtisch“, so Krauss und äußern sich entsprechend, während in der Lokalzeitung auch im Netz die jeweiligen Autoren mit Klarnamen genannt werden. Für Prof. Zehetmair ist das Problem im Netz die oft fehlende Seriosität. „Das Netz ist in der Pubertät“, so Zehetmair, „da gibt es einen großen Erziehungsauftrag“.
Deutlich weniger kulturpessimistisch sieht Volker Klüpfel das Internet: „Das Internet demokratisiert den Zugang zu den Medien. Jeder kann zum Autor werden, das ist gerade im Lokalen wichtig.“ Kissler wehrte sich gegen die These, dass Zeitungen per se seriös wären, das Netz dagegen unseriös. „Das Netz ist neutral. Dort publizieren keine Marsmenschen, sondern wir. Also müssen wir uns ändern.“ Der Publizist plädierte deshalb eindringlich für eine Medienkunde in der Schule, die diesen Namen auch verdient.
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