Es droht die Vernichtung tausender Hamburger Kleingärten

Wie eine neue Satzung die geplante Massenräumung tausender Hamburger Kleingärten vorbereitet: Fast unbemerkt haben die Delegierten der 311 Hamburger Kleingartenvereine auf Betreiben ihres Dachverbands Landesbund der Gartenfreunde in Hamburg (LGH) Ende Mai letzten Jahres eine neue Muster-Satzung beschlossen.

So gut wie keines der übrigen 43.000 Mitglieder der einzelnen Kleingartenvereine, so viele Schreber gibt es in der Hansestadt, war vorab über den Inhalt des Papiers informiert worden. So stimmten die Delegierten kurzerhand ohne das Votum derer ab, die sie eigentlich hätten vertreten sollen. Das ist äußerst brisant, denn das Papier hat es in sich.

Neben einem Verbot von Nadelbäumen in Kleingärten (etwa mehrere zehntausend Bäume in ganz Hamburg) regelt das Papier, dass Vereine sich mit der so genannten „Nachverdichtung“ einverstanden erklären sollen. Das Instrument der Nachverdichtung wird dazu benutzt, die Fläche der Kleingärten immer weiter zu verringern und in Bauland zu verwandeln.

„Bestehende Parzellen werden geteilt, aus einer Parzelle werden zwei gemacht. Wenn einhundert Parzellen geteilt wurden, dann kann anderswo in Hamburg ein ganzer Verein geräumt werden – ohne dass das Ersatzparzellenliefersoll der Stadt Hamburg dadurch erhöht wird“, so Angelika Traversin vom Verein Schreberrebellen, der sich für den Erhalt der Hamburger Kleingärten einsetzt.

Nachverdichtung macht kaputt (002)
www.schreberrebellen.de

Nach dem Bundeskleingartengesetz müsse die Gemeinde für jede geräumte Parzelle eine Ersatzfläche bereitstellen, so Traversin weiter. Mit der Nachverdichtung versuche man nun, diese Regelung zu umgehen und, trotz riesiger Flächenverluste, keine Ersatzflächen zur Verfügung stellen zu müssen. Traversin: „Schon seit dem Jahr 2003 ist die Rede von 6000 Kleingärten, die verschwinden sollen. Jetzt wird es ernst.“

Das hat erhebliche Auswirkungen auf das Stadtklima. Denn Kleingärten kühlen die Luft in Kerngebieten und sorgen für Frischluftschneisen. Allein in Barmbek und Alsterdorf sind im Lauf des letzten Jahres mehrere Hundert Gärten geräumt worden, Kleingartenvereine, die seit über neunzig Jahren zum Stadtteil gehörten.

Dass anderswo auch einige neue Parzellen eingerichtet wurden, lassen die Kleingärtner nicht gelten. Das sei Schönfärberei und hielte einem Vergleich nicht stand. Was an gewachsenen Strukturen zerstört würde, sei erstens unwiederbringlich verloren und zweitens bleibe unterm Strich immer weniger Fläche für Natur in der Stadt übrig, so die Schreberrebellen.

Schrebergärten bieten seit jeher einen Ausgleich für die Menschen in dicht bebauten Stadtteilen. Grüne Ringe und sternförmige Grünachsen sorgen für ein günstiges Stadtklima. „Diese Achsen und eingestreuten Grünzonen werden seit einigen Jahren zunehmend zerstört. Das betrifft nicht nur Kleingärten, sondern auch Landschaftsschutzgebiete und Kulturlandschaften“, stellt Angelika Traversin fest.

Jüngste Beispiele dafür sind die Hummelsbütteler Feldmark, die bedrohte Parklandschaft in Öjendorf oder ein geplantes Mega-Gewerbegebiet („Viktoriapark“) in Rahlstedt. „Der Bund fordert zu recht ein Stadtentwicklungskonzept, das auf höheres Bauen bei Erhalt aller bestehenden Grünflächen fokussiert“, meint die engagierte Kleingärtnerin.

Mit insgesamt mehr als 14 Millionen Quadratmetern machen die Hamburger Kleingärten den größten Anteil an den Grünflächen der Hansestadt aus. Die Entscheidung, große Teile dieser ökologischen und sozialen Ressource der Bauindustrie zu opfern, betrifft daher alle Hamburger Bürgerinnen und Bürger, so die deutliche Kritik. Die 43.000 Schreber aber werden von ihrem Stimmrecht in ihren Vereinen Gebrauch machen und der Zerstörung ihrer Gärten eine klare Absage erteilen, hofft die Schreberrebellin Traversin. Sie müssten nur Bescheid wissen, worum es dabei wirklich geht.

In der Tat hat jeder Verein hat das verfassungsmäßig garantierte Recht, sich eine eigene Satzung und Gartenordnung zu geben. Muster-Satzungen stellen daher nur unverbindliche Vorschläge dar. Dass der Dachverband es als „erforderlich“ bezeichnet, dass die Vereine nun ihre Satzung änderten, macht die Gartenfreunde sehr stutzig.

Warum wird so viel Druck gemacht? „Weil das Papier Regelungen enthält, die möglichst bald umgesetzt werden sollen“, vermuten die Schreberrebellen. Der Dachverband Lgh komme vielen von ihnen zunehmend wie ein gut geöltes Scharnier zwischen Stadt und Bauinvestoren vor. Wo andere Dachverbände sich vor ihre Mitglieder stellten und für deren Flächen kämpften, gäbe der LGH alles kampflos her und bezeichne das als Kompromiss.

Den betroffenen Vereinen wird geraten, die Mustersatzung nicht zu übernehmen, sondern sie abzulehnen oder die Entscheidung auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Dazu reicht ein entsprechender, auf der Mitgliederversammlung des jeweiligen Vereins gestellter Antrag.

Angelika Traversin: „Dann haben die Kleingärtner Zeit, sich den Inhalt in Ruhe anzuschauen, bevor sie über etwas entscheiden, dessen Bedeutung und Tragweite sich ihnen noch gar nicht erschließt. Das ist im Interesse jedes einzelnen, denn wer will schon seinen Garten verlieren? Vor allem aber müssen die stadtklimatisch und ökologisch wertvollen Flächen mitten in der Stadt für alle erhalten bleiben.“

Auf seiner Website www.schreberrebellen.de hälte der Verein Schreberrebellen weitere Informationen für Kleingärtner und andere Menschen, die am Erhalt bestehender Grünflächen interessiert sind, bereit.

Hintergrundinformationen im Netz unter http://www.schreberrebellen.de

Foto / Quelle: schreberrebellen.de

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